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21-06-2023
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Verdoppelung der Ausgleichsabgabe durch das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes

Private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 156 SGB IX haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen oder ihnen gleichgestellte behinderte Menschen zu beschäftigen (§ 154 Abs. 1 S. 1 SGB IX).

Die Verletzung der Beschäftigungspflicht aus § 154 Abs. 1 SGB IX stellt bis Ende des Jahres 2023 eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 238 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Der Verstoß gegen die Beschäftigungspflicht bleibt auch dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn der Arbeitgeber nach § 160 Abs. 1 SGB IX eine Ausgleichsabgabe zahlt.

Die Ausgleichsabgabe ist nach bislang geltendem Recht keine Ablasszahlung (§ 160 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Sie lässt die Ordnungswidrigkeit nicht entfallen. Anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber im Ordnungswidrigkeitenverfahren nachweisen kann, dass er entsprechend der gesetzlichen Anordnung in § 164 Abs. 3 SGB IX ausreichende und geeignete Maßnahmen zur Erfüllung der Beschäftigungsquote von 5 % (private Arbeitgeber), bzw. 6 % (öffentliche Arbeitgeber des Bundes, § 241 Abs. 1 SGB IX) getroffen hat.

Auch die Erteilung von Aufträgen an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen reduziert nach § 223 SGB IX lediglich die Höhe der zu zahlenden Ausgleichsabgabe um 50 % des Rechnungsbetrags der Werkstatt (ohne Materialkosten). Die Ordnungswidrigkeit bleibt hingegen bestehen.

Unsinnig und zweckwidrig ist die Streichung von § 238 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ab dem 01.01.2024 durch das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes vom 03.06.2023 . Die Streichung führt zum ersatzlosen Wegfall der Ordnungswidrigkeit Nichterfüllung der Beschäftigungsquote. Das bedeutet, dass die Verletzung der Arbeitgeberpflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen (§§ 154 Abs. 1 und 164 Abs 3 SGB IX) zukünftig nicht mehr sanktioniert und die Zahlung der Ausgleichsabgabe ablassgleich erfolgen wird. Ungewöhnlich für das Schwerbehindertenarbeitsrecht. Wenn auch die Nichtbestellung des Inklusionsbeauftragten (§ 181 SGB IX) und die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit im Stellenbesetzungsverfahren (§ 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX) ebenfalls keine Ordnungswidrigkeiten darstellen, aber immerhin Entschädigungsansprüche nach §§ 15, 22 AGG nach sich ziehen können.

Nach einer Mitteilung des Instituts für Wissen in der Wirtschaft (IWW) aus dem Jahr 2019 beschäftigen 41.000 von 160.000 beschäftigungspflichtigen Unternehmen noch nicht einmal einen schwerbehinderten Menschen.[1]

Genau für diese Arbeitgeber („Nullbeschäftiger“) wird durch das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes ab dem 01.01.2024 eine Verdoppelung der Ausgleichsabgabe eingeführt:

Mit § 160 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, S. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2024 gültigen Fassung wird eine vierte Staffel der Ausgleichsabgabe von

  • 720,- € monatlich je nicht besetztem Arbeitsplatz bei einer Beschäftigungsquote von 0 % eingeführt (Verdoppelung von 360 € [2] auf 720 €), bzw. von
  • 410,- € monatlich bei Arbeitgebern mit weniger als 60 Arbeitsplätzen, bzw. von
  • 210,- € monatlich bei Arbeitgebern mit weniger als 40 Arbeitsplätzen.

 

[1] Quelle: https://www.iww.de/ce/recht-gesetz/arbeitgeber-pflicht-ausgleichsabgabe-fuer-behinderte-4-loesungen-um-die-beschaeftigungsquote-zu-erfuellen-f120647.

[2] Stand Juni 2023 nach § 160 Abs. 3 S. 1 SGB IX.

 

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